Prionen, BSE und die neu aufgetretene Krankheit vCJD

Sämi Ackermann, Klasse 6b, KSOE, Semesterarbeit 1999








Vorwort

Das Thema BSE interessiert mich schon seit langer Zeit. Zum ersten Mal hörte ich davon als ich etwa sieben Jahre jung war. 1990 malte ich im Rahmen eines Zeichnungswettbewerbes Bilder von gesunden und an BSE erkrankten Kühen (Titelbild). Einige Zeit später begann ich zusammen mit meinem Vater Berichte über die Seuche BSE zu sammeln. Das einzige, was mir noch fehlte war eine eigene Arbeit über dieses Thema zu schreiben.

Mein Ziel ist es die ganze Problematik, welche BSE und Prionen mit sich bringen so gut wie möglich zu verstehen. Was mich auch reizte, war die Chance wenigstens einen Teil all der interessanten Leute, die sich professionell mit dieser Forschungsrichtung beschäftigen, kennenzulernen. Einerseits fasziniert mich die Erforschung des Erregers. Anderseits ist es erschütternd, was für Tragödien dieser Erreger mit sich bringen kann. Diese Gegensätzlichkeit erinnert mich ein wenig an die Geschichte von Dr. Jeckyll und Mr. Hyde.

Bei allem Respekt, den man dem Thema BSE entgegenbringen muss, so blitzen die erheiternden Seiten doch immer wieder durch die dunkle Nacht des Rinderwahnsinns.

Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 1. Blaugesichtiger Stampede-Agitator (wird vom Rancher gewöhnlich erschossen).







Einleitung

In dieser Semesterarbeit werden verschieden Aspekte der Erkrankung durch Prionen behandelt. Der wissenschaftliche Teil befasst sich sowohl mit dem Erreger selbst als auch mit den Krankheiten, welche durch ihn ausgelöst werden können. Dazwischen werden immer wieder Versuche beschrieben, die zur Lösung des Rätsels "Prion" beitragen. Kurz unterbrochen durch die Bekämpfungsmethoden, geht der wissenschaftliche Teil weiter mit der Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen BSE und vCJD gebe. Ein Gegengewicht zur Flut an wissenschaftlichen Fakten, wird durch das Kapitel "Prionen in den Medien" und den erschütternden Bericht der Tochter eines vCJD Opfers gegeben. Die Gedanken zur Zukunft bilden gleichzeitig das Schlusswort.

Die Bedingungen um eine Arbeit über BSE und Prionen zu schreiben waren optimal. Erstens hatte ich mir bereits ein gewisses Grundwissen über die ganze Problematik angeeignet und zweitens ist Zürich die "Hauptstadt der Prionen". Alles was Rang und Namen in der Welt der Prionen hat, ist hier zu finden. Es wimmelt geradezu von talentierten Forschern.

Dies alles bot mir die Chance, Antworten auf Fragen, die mich wirklich interessierten, zu erhalten. Schnell wurde mir klar, dass die Berichte in den Medien mit grosser Vorsicht zu behandeln sind. Zuerst wollte ich eine klare Übersicht über alle Prionenkrankheiten erarbeiten. Danach suchte ich in der Literatur nach Angaben zur Biologie der Prionen. Mit dem dabei erworbenen Wissen, konnte ich der Frage nachgehen, wie es zur Prionenkrankheit kommt. Diese Vorabklärungen bildeten die Grundlage zur gesellschaftspolitisch und menschlich wohl interessantesten Frage, nämlich ob ein Zusammenhang zwischen BSE und der neu aufgetretenen Krankheit vCJD zu erkennen sei.







Methoden

Seit geraumer Zeit sammle ich Berichte zum Thema BSE. Dadurch war ich bereits im Besitz eines grossen Potentials an Informationen, wenn auch nicht alle, nach heutigen Erkenntnissen, korrekt waren. Die Fachliteratur bezog ich sowohl aus Wissenschaftsblättern, wie Nature oder Science, als auch Skripts und Dossiers von Experten.

Neben Zeitungen und anderen Medien, diente mir auch das Internet als nützliche Informationsquelle.

Doch die für mich wertvollsten Informationen bekam ich durch den Besuch von Seminaren. Zudem hatte ich die Ehre an der Preisverleihung von der Professor Dr. Max Cloëtta Stiftung teilnehmen zu dürfen, an der Herr Professor Dr. Adriano Aguzzi ausgezeichnet wurde. Dazu gratuliere ich nochmals herzlich. Anschliessend hatte ich noch das Glück einige Worte mit Herrn Aguzzi zu wechseln.

Ebenfalls speziell erwähnen möchte ich das Telephonat mit Herrn Glockshuber und den Vortrag von Herrn Klein in der Virologie.







Prionen in den Medien

Seit der starken Zunahme der BSE- Fälle und jetzt auch wegen der Erkrankung von mehreren Jugendlichen in Grossbritannien an einer neuen Variante von Creutzfeldt-Jakob sind die Prionen in aller Munde oder eben nicht.

Vor dem BSE-Zeitalter beschäftigten sich nur ganz wenige Menschen mit diesem eigenartigen Erreger. Vielleicht wussten ein paar wenige von der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit oder von Scrapie, aber niemand dachte auch nur im Entferntesten daran sich mit einer TSE zu infizieren. Nun tun dies Menschen überall in Europa ja sogar in der Welt. Viele befürchten heute, sich den Tod in den Kopf zu schieben, wenn sie Rindfleisch essen. Doch die eigentlich gefährliche Zeit war Mitte der Achtziger Jahre bis Anfang der Neunziger als die Kontrollen von Fütterung, Vieh und Fleisch noch nicht derart verschärft waren. Zudem war das Ganze noch nicht Bestandteil des öffentlichen Interesses. So ass man den Hamburger ohne böse Hintergedanken.

Erst 1990 mit dem Auftreten des ersten BSE-Falles in der Schweiz, gewann das Thema auch bei uns an Substanz. Dann wurde berichtet und erdichtet bis es allmählich erschöpft war. Eine Zeit lang blieb es relativ ruhig, doch 95/96 setzte wieder ein BSE-Boom ein. Der Rinderwahnsinn zog alle in seinen Bann. Während die Wissenschaftler weiter forschten, verhängten gewisse Politiker Importverbote gegen andere Länder, die Konsumenten waren stark verunsichert und die Fleischlieferanten beklagten ihr Schicksal.

Das ganze wurde von den Medien aufgebauscht und bis zum letzten Auflagen bzw. Einschaltquotentropfen ausgesaugt. Die Berichterstattungen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Das Spektrum erstreckt sich von wissenschaftlich über sachlich über dramatisch bis zu schockierenden Falschinformationen zwecks Auflagenerhöhung. Doch in der ganzen Situation kommt auch manchmal Komik auf. Als zum Beispiel ein Rinderbluttransport auslief, wurden die Betroffenen zur Desinfektion ins Spital gebracht. Ja, wurden die armen Kerle dort in einen Hochofen gesteckt und während 20 Minuten bei 133° C und 3 bar gegrillt? Oder wer hat heutzutage nicht schon jemanden gesehen, der sein Stück Fleisch kritisch begutachtet, vielleicht noch daran riecht und es mit der Gabel auf etwaige herausspickende Prionen untersucht?

Nicht nur die Medien trugen teilweise zur Verwirrung der Situation bei, es gibt auch Pseudowissenschaftler, also Wichtigtuer, Scharlatane etc., die skrupellos Falschmeldungen in die Welt setzen und beinahe Hysterien auslösen oder bei den Leuten falsche Hoffnungen wecken.

Meine Arbeit sollte kritisch aber auch korrekt ausfallen, deswegen wandte ich mich rasch der Fachliteratur zu.







Prionen und die mit ihnen assoziierten Krankheiten


Prionenkrankheiten

Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (TSE), wie sie aufgrund der im Mikroskop sichtbaren, schwammartigen Veränderungen im Gehirn und wegen der Übertragbarkeit genannt werden, sind infektiöse Degenerationskrankheiten. Nach variablen Inkubationszeiten ohne Immunreaktion verlaufen sie immer tödlich. Das Krankheitsbild ist bei allen ungefähr gleich. Es bilden sich Vakuolen, die von Amyloidablagerungen umgeben sind. Diese Hirnschäden rufen negative Veränderungen im Bereich der intellektuellen Fähigkeiten und Verhaltensstörungen sowie Sensibilitäts- und Bewegungsstörungen hervor. Erst nach dem Tod kann eine definitive Diagnose gestellt werden. Die einzelnen Krankheiten sind im Buch BSE und andere spongiforme Enzephalopathien des Zürcher Professors U. Braun eingehend beschrieben (Braun, 1998).


Kuru

Erstmals beobachtet wurde Kuru beim Fore-Volk in Papua-Neuguinea. Das Wort Kuru kommt aus der Sprache der Eingeborenen und bedeutet Muskelzittern, welches eines der auffälligsten Krankheitssymptome ist. Es ist unbekannt, wann die Krankheit zum ersten Mal aufgetreten ist, wahrscheinlich am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Sie hat in den fünfziger Jahren jedoch epidemische Ausmasse angenommen. Zur Verbreitung der Krankheit trug wohl ein von den Fore praktizierter ritueller Kannibalismus bei. Während die Männer das Muskelfleisch verzehrten, assen die Frauen und Kinder vom Rest der Verstorbenen, darunter war auch das Gehirn. Deshalb gehörten hauptsächlich sie zu den Erkrankten. Nach dem Verbot des Kannibalismus ist die Anzahl der Fälle stark zurückgegangen. Einzelne Fälle traten aufgrund der langen Inkubationszeit (5 bis 35 Jahre) auch in den letzten Jahren noch auf. Heute ist die Krankheit praktisch verschwunden.

Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 2. Ein an Kuru erkranktes Kind des aus Papua-Neuguinea stammenden Fore Volkes.



Erste Symptome treten auf in Form von Zittern des Kopfes, des Rumpfes und der Glieder. Dazu kommt es zu fortschreitenden Störungen der Koordination der Bewegungsabläufe (Ataxie). Mit der Zeit werden die Symptome immer stärker und schlimmer, es kommt zudem zu Verhaltensänderungen sowie Stimmungsschwankungen und Ausgelassenheit (laughing death). Im Endstadium der Krankheit kann es auch noch zum Verlust der intellektuellen Fähigkeiten (Demenz) kommen. Nach drei Monaten bis drei Jahren verläuft Kuru tödlich.


Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK oder CJD =engl.)

Das Krankheitsbild äussert sich vor allem durch den fortschreitenden Verlust der intellektuellen Fähigkeiten, man spricht auch von präseniler Demenz und durch Muskelzucken (Myoklonie). Es wird begleitet von Problemen in der Koordination der Bewegungen. Zudem kommt es zu Störungen der Aussprache, Störungen der Wortfindung und des Sprachverständnisses. Der Krankheitsverlauf ist rasch und endet normalerweise innerhalb von sechs bis zwölf Monaten mit dem Tod.


Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS)

Diese Variante der CJD wurde zum ersten Mal in Österreich 1936 beschrieben (Gerstmann et al., 1936). Die Krankheit tritt vor allem familiär gehäuft auf und betrifft meistens Menschen im Alter von 35 bis 55 Jahren.

Mit der Entdeckung einer genetischen Veränderung auf Chromosom 20 bei erkrankten Individuen, ist es möglich geworden einheitliche Diagnosekriterien aufzustellen. Diese Mutation ist im Prionprotein codierenden Gen lokalisiert. GSS gehört zu den vererbbaren TSE mit einem autosomal dominanten Vererbungsmuster, wobei "autosomal" bedeutet, dass die Erbanlage nicht auf dem Geschlechtschromosom liegt und "dominant", dass ein Elternteil mit einem schadhaften Chromosom die Krankheit vererben kann.

Die Patienten zeigen fortschreitende Koordinationsschwierigkeiten der Bewegungen. Im Gegensatz zur CJD tritt der Verlust der intellektuellen Fähigkeiten erst später ein. Die ganze Krankheitsdauer ist mit zwei bis zehn Jahren länger als diejenige der CJD.


Fatale Familiäre Insomnie (FFI)

1986 wurde FFI erstmals beschrieben. Sie wird autosomal dominant vererbt mit einer Mutation im Prionprotein Gen. Von FFI betroffen sind Patienten im Alter von 20 bis 71 Jahren. Sie werden von einer nicht therapierbaren Schlaflosigkeit befallen. Es kommt zu Verhaltensänderungen, sowie Störungen der vom Stammhirn gesteuerten Bereiche und der kognitiven Fähigkeiten. Die Krankheit verläuft nach sieben bis 32 Monaten tödlich.


Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD)

Das klinische Bild weist auf eine nicht-klassische CJD-Erkrankung hin. Anfangssymptome sind Verhaltensstörungen, Ängstlichkeit, Depressionen, Apathie und Schlafstörungen. Dazu kommen Bewegungs- und Sensibilitätsstörungen. Erst später setzen Muskelzuckungen und ein fortschreitender Verlust der intellektuellen Fähigkeiten ein. Die Patienten im Alter von 16 bis 48 Jahren sterben nach etwa 7.5 bis 22.5 Monaten.


Scrapie (Traberkrankheit; Gnubberkrankheit; tremblante de mouton)

Scrapie, die TSE der Schafe und seltener der Ziegen, ist die am längsten bekannte Prionenkrankheit und gilt als Prototyp für diese Art von Erkrankungen.

Die Scrapie des Schafes ist in Europa seit über 200 Jahren bekannt. Sie ist über die ganze Welt verbreitet. In Australien und Neuseeland konnte sie mit radikalen Massnahmen ausgerottet werden. Scrapie ist eine fortschreitende, degenerative, tödliche Erkrankung des Zentralnervensystems. Erste Symptome sind Verhaltensänderungen. Die Schafe werden schnell nervös, reagieren überempfindlich auf Lärm und Berührungen und sind entweder aggressiv oder träge. Die Hauptsymptome zeigen sich in einem extrem starken Juckreiz, den die Schafe durch kontinuierliches Kratzen, Scheuern, Belecken und Benagen loszuwerden versuchen. Dies hat den Verlust des Wollkleides zur Folge. Beim Kratzen ist ein eigenartiges Lippenspiel zu beobachten (Gnubbern). Ausserdem nehmen sie trotz genügender Nahrungsaufnahme immer mehr ab. Dazu kommt es zu Bewegungsstörungen. Die Schafe bekommen einen traberartigen Gang, gleichzeitig werden der Kopf hoch und die Ohren abnormal getragen. Sie beginnen zu stolpern und brechen ein. Blindheit, Erbrechen, Muskelzittern und Schluckstörungen können als weitere Symptome auftreten. Die Krankheit verläuft progressiv und endet mit dem Tod.

Abb. 3a und 3b. An Scrapie erkrankte Schafe.


Zur Vergrösserung: Bilder anklicken !!

Abb. 3a. Ein Schaf versucht den starken Juckreiz durch Kratzen zu mildern.



Abb. 3b. Auffallend: Der traberartige Gang.



Die Übertragung von Scrapie geschieht sowohl von der Mutter auf das Jungtier, vertikal, als auch von Tier zu Tier, horizontal. Bei der vertikalen Variante kommen zwei Wege in Frage: Zum einen kann das Lamm durch die Nachgeburtsteile und das Fruchtwasser angesteckt werden, zum anderen wurde die Möglichkeit der Infektion via Milch diskutiert, jedoch nicht gesichert nachgewiesen.

Bei der horizontalen Variante werden die anderen Tiere durch das Fressen der hochinfektiösen Plazenta selbst oder durch das Fressen von Futter, das mit infektiösem Fruchtwasser kontaminiert wurde, angesteckt. Da der Scrapieerreger gegen mechanische und chemische Einflüsse weitgehend resistent ist, kann ein Weidegebiet über eine längere Zeitspanne verseucht bleiben.


Spongiforme Enzephalopathie der Zuchtnerze (TME)

TME (Transmissible Mink Encephalopathy) tritt sporadisch auf. 1947 ist sie in den USA erstmals aufgetreten, 1965 folgte die wissenschaftliche Beschreibung der Krankheit. Da die Tiere mit Schlachtabfällen gefüttert wurden, meinte man, die Infektionsquelle sei scrapieverseuchtes Futter gewesen. Allerdings konnte man bis jetzt die Übertragung durch Fressen von verseuchtem Futter experimentell nicht nachweisen. Hingegen gelang die Ansteckung durch Injektion von verseuchtem Material unter oder in die Haut. Wahrscheinlich infizieren sich die Nerze durch Bisse während der Fütterung. Anfänglich zeigen die Nerze Verhaltensstörungen, sie werden aggressiver und überempfindlich. Später ist eine Störung der Koordination der Nachhand (Nachhandataxie) zu beobachten, was Bewegungsunfähigkeit und damit eine verminderte Nahrungsaufnahme zur Folge hat. Die Nerze leiden dann an Schläfrigkeit sowie an geistiger und körperlicher Erstarrung (Stupor). Die Krankheit führt innerhalb von ein bis zwei Monaten zum Tode.


Chronic Wasting Disease der Hirsche(CWD)

Bisher wurde CWD, eine spongiforme Enzephalopathie bei Maultierhirschen und den Rocky Mountains-Elchen, nur in den USA beobachtet. Zum ersten Mal wurde sie anfangs der achtziger Jahre beschrieben. Es ist aber zu sagen, dass diese Krankheit nur bei gefangenen Tieren und niemals in freier Wildbahn aufgetreten ist. Experimentell ist die Übertragung der CWD auf andere Tierarten gelungen. Der Ursprung und die natürliche Übertragung der Krankheit sind jedoch unbekannt. Es wird vermutet, dass CWD ähnlich wie Scrapie sowohl horizontal als auch vertikal übertragen wird und dass es zu einer lang andauernden Weidekontamination kommen kann (Williams & Young, 1992). Erste Symptome sind Verhaltensänderungen. Allmählich magert das Tier sehr stark ab und hat einen übermässigen Speichelfluss. Andere Symptome können Schluckbeschwerden, grosser Durst und Übererregbarkeit sein. Selten sind Probleme mit der Nachhandkoordination zu beobachten, nie Juckreiz. Von der CWD befallen sind meist Tiere im Alter von drei bis vier Jahren. Die Krankheit verläuft progressiv und endet nach Wochen bis Monaten mit dem Tod.


Bovine Spongiforme Encephalopathie (BSE)

Das Krankheitsbild äussert sich in Konditions- und Gewichtsverlusten, verminderter Milchleistung, Verhaltens- und Bewegungsstörungen. Manche Tiere beginnen auszuschlagen, sie weigern sich durch Türöffnungen hindurchzugehen oder den Melkstand zu betreten, sie sind ängstlich und überempfindlich. Zudem setzt ein Muskelzittern ein und es kommt zu leichten Problemen mit der Nachhandkoordination. Sie erkranken ab einem Alter von 22 Monaten nach einer Inkubationszeit, die 18 Monate bis mehrere Jahre andauern kann. Der Krankheitsverlauf ist progressiv, die Tiere sterben nach 40 bis 60 Tagen, wenn sie nicht schon vorher getötet werden.

Abb. 4a, b, c. An BSE erkrankte Rinder.

Zur Vergrösserung: Bilder anklicken !!


Abb. 4a. Zusammenzucken der Kuh beim Beklopfen der Metallschale mit dem Gummihammer.



Abb.4b. Super-Cow: Diese Kuh fliegt 3.4 Meter hoch über einen Graben.



Abb. 4c. Im Freilauf knicken die Kühe ein, haben Gleichgewichtsstörungen und haben Mühe mit Aufstehen.




Spongiforme Enzephalopathien bei Wildwiederkäuern

Während der BSE-Epidemie in Grossbritannien sind auch in Gefangenschaft lebende Wildwiederkäuer an einer TSE erkrankt, hauptsächlich verschiedene Antilopenarten, aber auch Ankoles und ein amerikanischer Bison. Die Ursache dieser Erkrankungen liegt sehr wahrscheinlich, wie bei BSE, in der Verfütterung von Proteinzusätzen, die von anderen Wiederkäuern stammen. Die Tiere zeigten nach einer Inkubationszeit von 19 Monaten Abmagerung, Verhaltensstörungen und Bewegungsstörungen. Sie starben nach einem bis 56 Tagen oder wurden bereits vorher beseitigt. (Kirkwood & Cunningham, 1994)

Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 5. Ein Ankole Stier.




Feline spongiforme Enzephalopathie (FSE)

1990 trat der erste Fall von feliner spongiformer Enzephalopathie in Grossbritannien auf. Bis heute wurden in Grossbritannien 85 Fälle gezählt, einer in Nordirland, einer in Norwegen und einer in Liechtenstein. Aufgrund des zeitlichen und geographischen Auftretens der FSE liegt die Ursache für diese Erkrankungen höchstwahrscheinlich in der Verfütterung von BSE-kontaminiertem Material. Auch erkrankten Wildkatzen in Zoos: 8 Geparden, 3 Pumas, 2 Ozelot und 1 Tiger. Die Hauskatzen erkranken im Alter von 2 bis 8 Jahren an FSE. Die Krankheit äussert sich zu Beginn in Verhaltensstörungen, wie Aggressivität oder Ängstlichkeit. Später kommen Bewegungsstörungen dazu, die sowohl Hinter- als auch Vorderbeine betreffen können. FSE verläuft nach zwei bis drei Monaten tödlich.

http://www.maff.gov.uk/animalh/bse/bse-science/level-4-othertses.html#fse:







Was ist ein Prion?

Der Name "Prion" wurde 1982 vom heutigen Nobelpreisträger Stanley Prusiner geprägt als eine Abwandlung aus den Begriffen PROteinaceous INfectious particle (Prusiner, 1982). Prionen gehören zu den sogenannten "Unkonventionellen" Krankheitserregern. Sie unterscheiden sich von den "konventionellen", d.h. klar definierten Mikroorganismen, wie Bakterien und Viren. Die nächsten Verwandten der Prionen sind am ehesten die Viren. Es gibt aber klare Unterschiede zu den bekannten Viren. Die folgende Tabelle gibt einen kleinen Überblick zu den konventionellen und unkonventionellen Eigenschaften der Prionen.

 

Tabelle 1.

Konventionell

Unkonventionell

Infektion

 

Vermehrung

 

Abwehr durch Immunsystem

keine Abwehrreaktion

Krankheit

keine Elimination des Erregers aus dem infizierten Organismus

Konventionelle Viren:

  • aus Protein und Erbmaterial, (Fett)
  • sichtbar im Elektronenmikroskop
  • empfindlich gegen Hitze
  • züchtbar
  • filtrierbar
  • wirtsspezifisch

Prionen:

  • nur Protein
  • nicht im EM erkennbar
  • äusserst resistent gegen Hitze


Wie konventionelle Viren können die Prionen eine Infektion verursachen, d.h. sie können in den Körper eindringen und sich darin vermehren. Ungewöhnlich ist, dass der Körper sich nicht dagegen wehrt, obwohl der Organismus Schaden erleidet. Weil keine Immunreaktion erfolgt, wird das Prion nicht aus dem Organismus eliminiert. Darauf wiederum basiert das krankmachende Prinzip. Der wichtigste Unterschied zu konventionellen Viren ist das Fehlen von Erbmaterial (Nukleinsäure). Prusiner konnte beweisen, dass Proteasen (Protein-zerstörende Enzyme) die Prionen zerstören können. Fünf verschiedene Nukleinsäure-zerlegende Verfahren hingegen, erwiesen sich als unwirksam. Der endgültige Beweis, dass tatsächlich kein Erbmaterial mit dem Prion verbunden ist, fehlt allerdings noch. Es könnte sein, dass die Nukleinsäure des Prions sehr klein ist, dass sie vom Proteinanteil extrem gut geschützt wird oder dass sehr effiziente Reparaturmechanismen gegen eine allfällige Zerstörung wirken.







Struktur und Vermehrung von Prionen

Im Jahre 1985 konnten die Zürcher Forscher Bruno Oesch und Charles Weissmann in Zusammenarbeit mit Stanley Prusiner zeigen, dass ein Prion von einem normalen Gen kodiert wird (Oesch et al., 1985). Dieses "normale" Gen fanden die Forscher zuerst in Hamstern, die an einer Prionkrankheit (Scrapie) litten, dann aber auch in gesunden Hamstern sowie in Menschen und Mäusen. Unauffindbar war dieses Gen jedoch im infektiösen Material, in den Prionen selbst. Der infektiöse Partikel selbst trug also seine eigene Erbinformation nicht mit sich herum.

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick dazu.

Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 6. Vom Prion Gen zum Prion Protein. Auf der obersten Ebene ist die Genstruktur gezeichnet. Das Prion Gen (DNA) besteht aus drei Teilen, einem Exon 1 (grauer Kasten), einem Intron (unterbrochener Strich) und einem Exon 2 (langer grauer Kasten). Von diesem Gen wird eine Arbeitskopie (RNA) abgeschrieben (Transkription) und vor dem Verlassen des Zellkerns gespleisst (Splicing). Auf der zweiten Ebene ist die sogenannte messenger RNA (mRNA) gezeichnet. Diese mRNA wird von den Ribosomen translatiert, sodass das Prion Protein (PrP) entsteht. Das gelbe PrPc steht für das normale, zelluläre Prion Protein, während PrPsc (rot) für die krankhaft veränderte Form steht. Der Theorie nach entsteht PrPsc nach abgeschlossener Translation durch eine Konformationsänderung aus PrPc.



Wichtige Einzelheiten zum Prionprotein, die unten aufgeführt sind, wurden in einer Übersichtsarbeit von Marinovic und Senn (1991) zusammengefasst. Das direkte Translationsprodukt des Prion Gens, das Prion Protein PrPc, hat ein Molekulargewicht von 33'000 bis 35'000 (33-35 kDa). Die krankhafte Form (PrPsc) hat erstaunlicherweise das gleiche Molekulargewicht. Die beiden Isoformen unterscheiden sich jedoch in physikalischer Hinsicht. Behandelt man PrPc mit Detergentien, so ist es löslich. PrPsc hingegen aggregiert zu sogenannten Amyloid-Fibrillen und ist somit unlöslich. Verdaut man die beiden Isoformen mit dem Enzym Proteinase K, so wird das normale PrP33-35c vollständig zerstört. Beim Pr33-35sc hingegen wird nur ein kleines Fragment, bestehend aus den ersten 67 Aminosäuren (aa), abgespalten. Da die ersten Aminosäuren am NH2-Ende des Proteins liegen, nennt man sie auch N-terminale aa. Es entsteht aus diesem Abbau ein gegen weitere Verdauung resistentes Restprotein, PrP27-30sc.

PrPc kann in mehrere Domänen eingeteilt werden, welche für die natürliche Funktion des Proteins wichtig sind. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick.

Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 7. Wichtige Domänen von PrPc (nach Prusiner, 1989). Eine Signalsequenz (SiS) führt das Protein ins endoplasmatische Retikulum, wo es mit Zuckern versehen (X bedeuten Bindungsstellen für die sogenannte N-Glykosylierung) und korrekt gefaltet wird (Ausbildung der Disulfidbrücken S-S). Über den Golgi-Apparat wird das Protein schliesslich auf die Membran der Zelloberfläche transportiert, wobei eine sogenannte Transmembran-Region (TM) in der Zellmembran stecken bleibt. Ein GPI-Signal (Glykosyl-Phosphatidylinositol) in der TM-Sequenz sorgt dafür, dass der äussere Teil des Proteins abgeschnitten und auf einen GPI-Anker gebunden wird. Der GPI-Anker besteht nicht aus Protein, sondern aus Lipid und erlaubt dem reifen PrPc auf der Zelloberfläche herumzuschwimmen. Bei der Verdauung mit Trypsin wird der N-terminale Teil von PrPsc an der Stelle C abgeschnitten.



Über die Vermehrung des krankmachenden Prionproteins gibt es nur Hypothesen. Charles Weissmann hat zwei der einleuchtendsten Modelle bereits 1994 vorgestellt (Weissmann, 1994). Diese sind in der folgenden Skizze (Abb. 8) schematisch dargestellt.

Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 8. Hypothesen zur Vermehrung der normalen und abnormalen Isoformen von PrP (Abbildung nach dem Schema von Weissmann, 1994). In der normalen Zelle (links) produziert das PrP Gen normales PrPc. Dieses wandert an die Zelloberfläche, wo es metabolisch umgesetzt wird. Das "Protein only" Modell setzt voraus, dass PrPc und Prpsc identisch sind. Exogene Prionen verursachen die Umwandlung von PrPc in Prpsc. Vermutlich geschieht dies nicht auf der Zelloberfläche, sondern im Innern. Das Virino Modell (rechts) geht davon aus, dass sich das infektiöse Agens mit einer Prion-spezifischen Nukleinsäure verbindet, bzw. dass diese in Prpsc eingepackt wird. Diese Nukleinsäure vermehrt sich dann in der infizierten Zelle und verbindet sich neu mit PrPc, wobei dieses in Prpsc umgewandelt wird.









Normale Funktion des Prionproteins

Die genaue Funktion des normalen Prionproteins (PrPc) ist nicht bekannt. Weil seine Entartung (PrPsc) aber zu schweren Krankheiten führt, könnte man meinen, es nehme eine wichtige, physiologische Funktion wahr. Es war deshalb eine grosse Überraschung, dass Mäuse gezüchtet werden konnten, welchen das PrP-Gen fehlte. Dabei handelte es sich um sogenannte "Knockout" Mäuse, deren PrP-Gen mit genetischer Manipulation gezielt zerstört worden war (Büeler et al., 1992). Die Überraschung war sogar so gross, dass die Mäuse auf dem Titelblatt der Zeitschrift Nature abgebildet wurden (Abb. 9).

Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 9. (vom Titelblatt der Zeitschrift Nature, 356 (6370), 16. April 1992). Alle drei Mäuse sind gesund und äusserlich normal. Es wurden keine anatomischen Veränderungen festgestellt. Ebenso verliefen immunologische Tests bei allen drei Mäusen gleich. Es wurden auch keine Unterschiede im Verhalten und in der Lernfähigkeit beobachtet.

Die Zylinder unter den Mäusen sind jeweils mit dem Beweis für den genetischen Status der Mäuse "beschriftet". Dies geschah mittels einer sogenannten Hybridisation, welche die mRNA eines bestimmten Gens sichtbar machen kann (Northern blot). Bei der normalen Maus (rechts) machte eine Hybridisations-Sonde die mRNA des Prion-Gens sichtbar, während die Sonde für Neomycin-mRNA (neo) nichts erkannte (Prn-p+/+ und neo0/0). Bei der linken Maus fanden beide Sonden eine mRNA. Das neo-Gen wurde verwendet um das Prion-Gen mittels gentechnischer Manipulation zu entfernen (knock-out). In einem ersten Schritt wurde nur eine Kopie des doppelten Chromosomensatzes betroffen. Diese Maus ist also heterozygot (Prn-p0/+ und neo0/+). Die mittlere Maus schliesslich wurde mittels Paarung von heterozygoten Elterntieren gezüchtet. Sie ist homozygot (Prn-p0/0 und neo+/+), produzierte deshalb keine mRNA für PrP, dafür aber grössere Mengen von neo-mRNA als ihre heterozygoten Vorfahren.



Das PrP ist also nicht lebenswichtig für die Mäuse. Heisst das jetzt, dass es unwichtig ist? Nein, im Gegenteil, wie aus folgenden drei Gründen ersichtlich ist. 1. In sämtlichen bisher untersuchten Säugetierarten wurde PrPc gefunden. 2. Es kommt auf der Oberfläche von Nervenzellen und einigen anderen Zellarten vor, z.B. Lymphozyten. 3. Es besteht ein grosser Umsatz an PrPc, d.h. es werden Mengen neu produziert, gelangen auf die Zelloberfläche und werden nach erfüllter Funktion wieder abgebaut.

Abbildung 10 zeigt, wie PrPc auf die Zelloberfläche gelangt und dabei noch durch Anhängen verschiedener Zucker verändert wird.

Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 10. Modell der PrP Reifung. (Caughey et al., 1989). Die ausgebildete Aminosäurekette von PrP erfährt im Endoplasmatischen Retikulum (ER) Veränderungen. Verschiedene Zuckermoleküle werden angehängt und beim Transport auf die Zelloberfläche (PM=Plasmamembran) noch weiter verändert. Schliesslich wird der äussere Teil des Proteins abgeschnitten und auf einen GPI-Anker gebunden (die Schere symbolisiert die Protease, ein Protein-spaltende Enzym; GPI= Glykosyl-Phosphatidylinositol; HMG=high mannose glycan; CG= complex glycan; HG=hybrid glycan).



PrP hat möglicherweise einen Einfluss auf die Reizübertragung in den Synapsen. Das Fehlen von PrP führte gemäss Collinge zu veränderter, schwächerer, langsamerer Übertragung (Collinge et al., 1994). Damit würde eigentlich eine verminderte Lernfähigkeit und eine reduzierte Gedächtnisleistung erwartet. Interessanterweise verhalten sich die oben erwähnten PrP-knockout Mäuse im Schwimmtest nach Morris genau gleich lernfähig wie normale Mäuse. Also besteht die Möglichkeit, dass ihre Lernfähigkeit auf anderem Weg kompensiert wird. Deshalb verwunderte es aber nicht, dass Lledo die Befunde von Collinge nicht bestätigen konnte (Lledo et al., 1996).

Frau Irene Tobler und Mitarbeiter entdeckten, dass PrPc Auswirkungen auf die Schlafregulation und auf den biologischen 24-Stunden-Rhytmus (zirkadianer Rhythmus) von Mäusen hat (Tobler et al., 1996). Wurden normale Mäuse in konstanter Dunkelheit gehalten, so begannen sie immer früher mit dem Laufrad zu spielen. PrP-knockout Mäuse hingegen behielten den normalen Tages- und Nachtrhytmus bei. Interessanterweise schliefen Mäuse ohne PrP schlechter als ihre normalen Kollegen. Sie reagierten auch empfindlicher auf Störungen des Schlafs.

Wenn also PrPc wirklich eine wichtige Funktion erfüllt und trotzdem nicht notwendig für das Leben ist, dann muss man daraus folgern, dass eine Art "Rettungssystem" existiert. Dieses Rettungssystem muss die fehlende Funktion des PrPc unabhängig kompensieren können. Es wird interessant sein, in Zukunft diesen Aspekt zu erforschen.







Wie kommt es zur Erkrankung?

Die klassischen Koch'schen Postulate (Isolierung des Erregers aus erkranktem Gewebe, reine Darstellung und Vermehrung des Erregers in vitro, Erzeugung der Krankheit nach Infektion von Versuchstieren mit dem Erreger) sind für Prionen bis heute nur teilweise erfüllt worden. Der Erreger wird zwar im Hirn erkrankter Tiere und Menschen gefunden und kann experimentell übertragen werden, aber die Vermehrung ausserhalb eines Organismus ist bisher noch nicht gelungen.


Absterben von Hirnzellen

Die Symptome der Prionenkrankheiten können mit dem Absterben von Hirnzellen erklärt werden. Durch das Absterben entstehen Löcher im Gehirngewebe, speziell in der grauen Substanz, welche die eigentlichen Nervenzellen, die Neuronen, enthält. Man spricht aus diesen Gründen von einer "schwammartigen Degeneration", welche den Namen der Krankheit(en) geprägt hat, nämlich spongiforme Enzephalopathie.

Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 11. Schwammartige Veränderung im Gehirn mit immunhistologisch gefärbten PrP-Plaques.



Zwischen den Neuronen sowie im Zytoplasma von Nervenzellen findet man Ablagerungen von Protease-resistentem PrP (PrPsc). Grosse Ansammlungen solcher Ablagerungen nennt man Amyloid-Plaques. Diese können mit Färbungen oder immunhistologisch mit Antikörpern sichtbar gemacht werden. Offensichtlich gelangt das krankhafte PrP nicht mehr an die Oberfläche der Zellen, sondern sammelt sich im Zytoplasma an, bildet die sogenannten Amyloid-Fibrillen und die Plaques. Man kann sich vorstellen, dass die Neuronen an diesen sich anhäufenden Abfallbergen ersticken. Interessanterweise entstehen rund um diese krankhaften Veränderungen keine Abwehrreaktionen des Körpers. Man beobachtet weder Entzündung noch eine Anhäufung von Zellen des Immunsystems. Dies deutet stark darauf hin, dass PrP vom Körper nicht als "fremd" empfunden wird.


Änderungen der dreidimensionalen Struktur von PrPc als Krankheitsursache?

Schon viel wurde darüber spekuliert, wie ein körpereigenes Protein sich plötzlich so verändern könne, dass es krank macht und den Tod herbeiführt. Prusiner und seine Arbeitsgruppe stellten die Hypothese auf, dass eine Strukturänderung des Proteins dafür verantwortlich sei (Pan et al., 1993). Sie zeigten mittels FTIR (Fourier-transform infrared) Spektroskopie, dass normales PrPc vorwiegend a -Helix Struktur (42%) und keine b -Faltblätter (3%) aufweist. Im Gegensatz dazu fanden sie bei PrPsc einen 30%igen Anteil von a -Helices und 43% b -Faltblätter. Nach Protease Behandlung stieg der b -Faltblatt Anteil sogar auf 54%, während der Anteil an a -Helices gar auf 21% sank. Es sah also so aus, als ob die Bildung von PrPsc aus PrPc mit einer Umwandlung von a -Helices in b -Faltblätter einherging.

Die Zürcher Forscher Wüthrich und Glockshuber konnten mit ihren Arbeitsgruppen jedoch zeigen, dass diese attraktive Hypothese nicht stimmt (Riek et al., 1996). Mittels Kernmagnet Resonanz (NMR) konnten sie nämlich die dreidimensionale Struktur von PrPc feststellen und ein räumliches Modell des Proteins entwerfen. Interessanterweise ist die N-terminale Hälfte des Proteins nur wenig stabil geformt. Von Aminosäure (AS) 121 bis 231 hingegen liegt eine stabile "knäuelartige" Struktur vor. Von AS 128 bis 131 und von 161 bis 164 bilden sich sogenannte b -Faltblätter, von 144 bis 154 (Helix 1), 179 bis 193 (Helix 2) und von 200 bis 217 (Helix 3) formen sich spiralartige a -Helices. Diese stabilen Strukturen sind untereinander mit lockeren "fadenartigen" Sequenzen verbunden. Zusätzliche Stabilität ergibt sich, indem die Helices 2 und 3 mit einer Disulfidbrücke verbunden sind. Durch diese räumliche Anordnung ergibt sich eine unterschiedliche Ladung auf der Vorderseite bzw. der Rückseite des Moleküls. Wenn das PrPc, genetisch bedingt, einzelne andere AS-Bausteine enthält, kann sich dies auf die Stabilität des Moleküls und auf die Ladungsverteilung auswirken. Nun sammelten die Forscher Information zum genetischen Code der PrP-Gens von Leuten mit vererbter Anlage zu Prionkrankheiten. Mutationen, welche zu Änderungen einer Aminosäure führten trugen sie auf dem Proteinmodell ein. Sie stellten fest, dass fast alle Mutationen zu AS-Änderungen in den Helices 2 und 3 führten. Sie folgerten daraus, dass Störungen des Helix-Aufbaus zu einer verminderten Stabilität des Moleküls führte, sodass die "Knäuelform" und Ladungsverteilung nicht mehr sicher gewährleistet war. Solche Änderungen in der dreidimensionalen Struktur könnten das ungewöhnliche Verhalten von PrPsc und somit das krankhafte Geschehen gut erklären. Die mangelnde Stabilität begünstigt möglicherweise die forcierte Umformung von PrPc in PrPsc. Da es bisher nicht gelungen ist, das noch viel interessantere infektiöse PrPsc künstlich herzustellen oder in Kulturen zu züchten, existieren leider noch keine entsprechenden NMR Bilder.

Abb. 12a, b, c. Von NMR abgeleitete Modelle des PrP (121-231)(Riek et al., 1996).

Zur Vergrösserung: Bilder anklicken !!


Abb. 12a. 3D Anordnung des Prion Proteins von AS 121 bis 231. Die drei Helices sind gelb-orange dargestellt, die b -Faltblätter als hellblaue Pfeile, die Verbindungssequenzen als grüne (im NMR gut definierte) oder violette (schlecht erkennbare) Fäden;.



Abb. 12b. Positiv geladene Seite des Moleküls (blau=positive Ladungen, rot=negative Ladungen).



Abb. 12c. Negativ geladene Seite des Moleküls (blau=positive Ladungen, rot=negative Ladungen).



Abb. 12d. Darstellung von möglichen AS-Unterschieden auf dem grauen PrP Modell. Die Forscher ermittelten genetisch die PrP Sequenz von Personen mit vererbter Prionkrankheit und zeichneten die abweichenden AS rot ein; grün hervorgehoben sind die AS, an denen posttranslationell Zucker angefügt werden; fünf AS, welche mit der Speziesbarriere in Zusammenhang gebracht werden, sind blau gekennzeichnet.



Wie mir Herr Glockshuber in einem Telefongespräch mitteilte, konnte seine Arbeitsgruppe unterdessen mehrere PrPc mit einer "krankhaften" AS-Sequenz herstellen. NMR-Untersuchungen ergaben, dass einige dieser Moleküle tatsächlich weniger stabil sind. Diese Ergebnisse sollen etwa im April oder Mai 1999 publiziert werden.


Wie gelangen die Prionen ins Gehirn?

So einleuchtend das Krankheitsgeschehen im Hirn sein mag, so wenig ist über den Transport des mutmasslichen Erregers vom Ort des Eindringens in den Körper bis ins Hirn bekannt. Hier haben wiederum Zürcher Forscher wichtige Beiträge zum heutigen Wissensstand geleistet. Zu nennen sind diesmal die Professoren Weissmann und Aguzzi sowie ihre Mitarbeiter. Zunächst konnten sie nämlich zeigen, dass die weiter vorne beschriebenen PrP-Knockout-Mäuse (Prn-p0/0) nach der Infektion mit Prionen nicht erkrankten (Büeler et al., 1993). Wurde diesen Mäusen jedoch ein PrP-Gen vom Hamster eingepflanzt (Transgene Mäuse), dann wurden sie empfindlich gegenüber Hamster-Prionen. Sie waren jetzt auch ansteckbar mit Maus-Prionen, aber weniger gut als normale Mäuse. Des weiteren stellten die Forscher fest, dass PrP-Knockout-Mäuse Antikörper gegen PrP entwickelten, wenn man sie damit "impfte", während normale Mäuse und transgene Mäuse für Hamster-PrP dies nicht taten. Aus diesen Experimenten konnte gefolgert werden, dass das körpereigene Gen für PrPc notwendig für die Entstehung der Krankheit war. War nur eine Kopie des Gens oder gar ein PrP-Gen einer anderen Tierart vorhanden, so verzögerte sich der Krankheitsbeginn. Mäuse mit dem Hamster PrP erkrankten normal schnell an Hamster-Prionen und verzögert an Mäuse-Prionen.

Seit langem ist bekannt, dass die Übertragung von Prionen auf zwei grundsätzlich verschiedenen Wegen geschehen kann, nämlich direkt ins Gehirn und nicht ins Gehirn (Tabelle 2). Für die Übertragung, die nicht direkt ins Gehirn geht, sind sicher noch mehr Faktoren wichtig, als bei der Übertragung von infektiösem Material direkt ins Hirn. Generell braucht es für beide Wege sicher einmal eine gewisse Dosis für eine erfolgreiche Infektion. Ebenso ist das PrP-Gen notwendig und wird von der Menge an produziertem PrPc beeinflusst. Die sogenannte Speziesbarriere spielt auch eine Rolle. Entscheidend ist aber die Frage, wie das Prion bei einer natürlichen Aufnahme, zum Beispiel mit der Nahrung, vom Magen oder vom Darm ins Gehirn gelangt und dort die Krankheit auslöst. Mit diesem Problem hat sich Prof. Aguzzi intensiv befasst. Wie viele andere Forscher benützte er den Scrapie Erreger als Modell, da über diese Prionen am meisten bekannt ist.

Tabelle 2.

Übertragung

Art

Besonderheiten

direkt ins Gehirn

experimentell

mit Spritze

 

akzidentell

ungenügend sterilisierte ärztliche Instrumenteb

nicht ins Gehirn

experimentell

in die Bauchhöhle
Verfütterung

 

akzidentell

Nahrungsaufnahme
Hornhauttransplantationb
Wachstumshormonb
Verletzung

 

vertikala

Vererbung
Ansteckung im Mutterleib

avon einer Generation zur nächsten, im Unterschied zu "horizontal", d.h. von einer Person zur nächsten

bwird auch iatrogen genannt

Die Arbeitsgruppe von Prof. Aguzzi ging von der Hypothese aus, dass unterschiedliche Zelltypen am Transport der Prionen durch den Körper beteiligt seien. Prionen scheinen eine Vorliebe für lymphatische Gewebe zu haben, bevor sie die Krankheiten im Gehirn auslösen. Bei Scrapie in Schafen wurde eine Vermehrung des Erregers in den Mandeln, den sogenannten Peyer'schen Platten des Darms sowie in den Lymphknoten und der Milz festgestellt. Wie weiter vorne schon erwähnt, wird PrPc auch auf der Oberfläche von Lymphozyten gefunden. Es war deshalb naheliegend, die Rolle der Zellen des Immunsystems, speziell der Lymphozyten, für den Transport der Prionen zu untersuchen. Dabei erwies es sich als Vorteil, dass diese verschiedenartigen Zellen sich durch spezielle Merkmale unterscheiden. Solche "Merkmale", sogenannte Oberflächenmarker, sind bei den Zellen des Immunsystems sehr gut bekannt, z.B. die CD4 Marker der Lymphozyten, die bei der HIV Infektion eine wichtige Rolle spielen.


Eine wichtige Rolle für Zellen des Immunsystems

Bevor diese Untersuchungen beginnen konnten, waren aber noch wichtige Vorbereitungen zu treffen. Zunächst war eine PrP0/0 Maus notwendig, welcher das Immunsystem fehlte und welche ein PrPc-Transplantat als Indikatorsystem im Gehirn trug (Abb. 13). Es konnte gezeigt werden, dass solche Transplantate nach direkter Infektion ins Gehirn "krank" wurden und grosse Mengen an PrPsc produzierten (Brandner et al., 1996). Das umliegende Gewebe blieb gesund, enthielt aber auch freigesetztes PrPsc, allerdings in abnehmender Menge mit zunehmender Distanz vom Transplantat. Daraus konnte geschlossen werden, dass PrPsc nur für Zellen toxisch ist, welche selbst PrPc produzieren.

Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 13. Schematische Darstellung der Transplantation von Hirngewebe.



Wurden die transplantierten PrP0/0 Mäuse durch Infektion in die Bauchhöhle (intra peritoneal, i.p.) oder in die Blutbahn (intra venös, i.v.) angesteckt, dann "erkrankten" die Transplantate nicht. Es sind also Zellen des Immunsystems oder/und weitere PrPc-produzierende Zellarten notwendig, damit Prionen ins Gehirn gelangen können.

Durch eine Knochenmark-Transplantation wurde den PrP0/0 Mäusen, welche schon Gehirn-Transplantate hatten, das Immunsystem von normalen Mäusen übertragen. Sie verfügten jetzt also über Lymphozyten und andere Immunzellen, die PrPc exprimierten. Nach der Infektion vermehrten diese Mäuse die Prionen in der Milz, aber die Transplantate blieben gesund. Für den Transport der Prionen vom Darm in die Milz sowie die dortige Vermehrung waren also PrPc-produzierende Zellen des Immunsystems notwendig. Es fehlten aber immer noch andere PrPc-produzierende Zellen für den Transport von der Milz ins Gehirn (Blättler et al., 1997). Indirekte Befunde liessen die Forscher vermuten, dass das periphere Nervensystem eine wichtige Rolle für die Ausbreitung der Prionen von der Peripherie ins zentrale Nervensystem (ZNS) spielt.

Vorerst aber war noch abzuklären, welche Untergruppen der Immunzellen beim Transport vom Darm in die Milz und bei der ersten Prionenvermehrung eine Rolle spielten. Zu diesem Zweck stellten Prof. R. Zinkernagel sowie andere Forscher aus aller Welt eine ganze Reihe von Mäusen mit spezifischen Defekten des Immunsystems zur Verfügung. Diese Mäuse hatten entweder keine B-Lymphozyten oder keine T-Lymphozyten oder keine follikulär-dendritische Zellen (FDC), waren aber in Bezug auf das PrP-Gen normal.

 

Tabelle 3. (Klein et al., 1997)

 

Intrazerebrale Inokulationa

 

Intraperitoneale Inokulationb

 

Defektc

Krankheitd

Inkubationszeite

Krankheit

Inkubationszeit

T Zellen

30/31

148-171

34/34

191-211

B + T Zellen

14/14

152-175

0/20

gesund

B + T Zellen + Interferon Rezeptoren

6/6

184

0/7

gesund

B Zellen

8/8

181

0/8

gesund

FDCf

7/7

165

9/9

216

kein Defektg

8/8

166

8/8

193-206

aAnsteckung direkt ins Gehirn

bAnsteckung in die Bauchhöhle

cwegen genetischer Veränderungen fehlten den Mäusen die angegebenen Zellen und/oder Rezeptoren

dZähler: so viele Mäuse wurden krank; Nenner: so viele Mäuse wurden angesteckt

eso viele Tage vergingen, bis die Mäuse krank wurden, gezählt vom Tag der Ansteckung an

ffollikulär-dendritische Zellen

gnormale Mäuse

Allen Mäusen, die gesund blieben, war gemeinsam, dass ihnen die B-Lymphozyten fehlten und dass die Ansteckung in die Bauchhöhle erfolgt war. Interessanterweise müssen die B-Lymphozyten aber Antikörper produzieren können, damit PrP transportiert wird. Die Antikörper sind aber nicht gegen PrP gerichtet. Vorsicht, das heisst noch nicht, dass die B-Lymphozyten selber die Prionen transportieren. Auf der Tabelle nicht sichtbar ist die Tatsache, dass für die Versuche genotypisch verschiedene Mausstämme verwendet wurden, d.h. sie hatten nicht nur verschiedene gezielte Defekte des Immunsystems sondern auch unterschiedliche genetische Hintergründe.

Als nächstes interessierte die Frage, ob die B-Lymphozyten selber PrP produzieren müssen um den Transport zu gewährleisten. Deshalb machte Dr. Michael Klein aus dem Team von Prof. Aguzzi eine Serie von Experimenten (Klein et al., 1998). Er nahm PrP+/+ Mäuse ohne Immunsystem und führte Knochenmarkstransplantationen durch, bevor er die Mäuse mit Scrapie ansteckte. Einer ersten Gruppe von Mäusen transplantierte er Vorläufer von B-Lymphozyten und T-Lymphozyten, welche PrP produzierten. Der zweiten Gruppe gab er B- und T-Lymphozyten ohne PrP. Der dritten Gruppe schliesslich wurden Immunzellen transplantiert, die sich nur gerade zu T-Lymphozyten entwickeln konnten. Während die ersten beiden Versuchsgruppen an Scrapie erkrankten, blieb die dritte Gruppe gesund. Aus diesen Resultaten konnten die Forscher folgende Schlüsse ziehen:

  • Die Anwesenheit von B-Lymphozyten ist notwendig um die übertragungskette der Ausbreitung von Prionen zu gewährleisten.
  • Dies ist unabhängig davon, ob diese Zellen Prionprotein auf ihrer Oberfläche tragen oder nicht.


Wie geht die Forschung weiter?

Noch nicht beantwortet ist damit die Frage, wie die Prionen von der Milz ins Gehirn gelangen. In einem persönlichen Gespräch erklärte mir Herr Klein, dass er das folgende Experiment plant um die Rolle der Nervenzellen für die Ausbreitung des Erregers abzuklären.

Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 14. Ein wichtiges Experiment zur Ausbreitungskette von Prionen.



Wenn ich ihn richtig verstanden habe, möchte Herr Klein zunächst ein PrPc-Transplantat ins Gehirn von PrP0/0 Mäusen transplantieren. Dann will er mit Hilfe eines gentechnischen Adenovirus den Sehnerv der Mäuse, der vom Auge direkt ins Gehirn führt, so verändern, dass er PrPc produziert. Je nachdem ob er Mäuse mit oder ohne Immunsystem nimmt, kann er danach noch B-Lymphozyten transplantieren und deren Einfluss auf das Experiment prüfen. Jetzt werden die Mäuse mit Scrapie angesteckt und bezüglich der Entwicklung der Krankheit beobachtet. Wenn die Produktion von PrPc in den Nervenzellen wichtig ist, dann müsste das Transplantat in diesen Mäusen mit dem Scrapie Erreger angesteckt werden können, wenn er ins Auge verabreicht wird. Bis die Ergebnisse aus einem solchen Experiment vorliegen, wird es sicher noch zwei Jahre dauern.







Bekämpfungsmethoden bei Mensch und Tier

Die Bekämpfungsmethode der TSE beim Menschen besteht in der Expositionsprophylaxe. Da es bis heute noch keine wirksamen Impfstoffe oder Medikamente zur Behandlung gibt, muss man verhindern, dass der Mensch mit TSE- Erregern in Kontakt kommt.

  • Verzicht auf (Rind)fleisch
  • Verbot der Risikoorgane. Organe, welche den Erreger enthalten könnten, dürfen nicht in die Konsumkette gelangen
  • genügende Sterilisierung von ärztlichen Instrumenten
  • keine Blut- oder Organspenden von TSE- Patienten

Auch für Tiere fehlt das Medikament oder der Impfstoff, deshalb wurden folgende Massnahmen getroffen.

  • Verfütterung von Tiermehl eingeschränkt. Wiederkäuer dürfen kein Tiermehl von Wiederkäuern fressen
  • Schlachtung des gesamten Bestandes an Rindern bei Auftauchen von BSE in der Herde (nicht überall, aber z.B. Frankreich)
  • Schlachtabfälle müssen so aufbereitet werden, dass die Inaktivierung des Erregers gewährleistet ist
  • Risikomaterial muss verbrannt werden
  • Anpassung der Vorschriften, je nach Wissensstand
  • Import- bzw. Exportstopps für Tiere und Tiermehl

Folgende Massnahmen wurden von der Schweiz im Kampf gegen BSE getroffen:

  • am 1. Dezember 1990 trat der "feed-ban" in Kraft, welcher die Verfütterung von Wiederkäuerproteinen an Wiederkäuer untersagte, zudem wurden die Risikoorgane von der Ernährungskette ausgeschlossen
  • Tötung und Untersuchung des Gehirns von Tieren mit BSE-Verdacht
  • Verbot des Inverkehrbringens von Milch BSE-verdächtiger oder BSE-verseuchter Kühe
  • Tötung aller direkten Nachkommen von BSE-verseuchten Kühen
  • Verbrennen der Tierkörper erkrankter Tiere
  • am 13. Dezember 1996 traf man die Sofortmassnahme, alle vor dem 1. Dezember 1990 geborenen Tiere, die in Beständen stehen in denen BSE aufgetreten ist, zu beseitigen
  • in Beständen in denen BAB-Fälle (Born after Ban: Nach dem Feed-ban geboren) auftreten, sind alle Tiere der Rindergattung zu töten
  • Wissenschaftliches Begleitprogramm zur Aufdeckung der Ansteckungswege
  • am 1. Juli 1998 wurden die Vorschriften den neusten Erkenntnissen angepasst:
  • Meldepflicht für Klauentiere, die eines natürlichen Todes gestorben sind
  • Obligatorium der Lebenduntersuchung für alle Betriebe
  • weitere Risikoorgane wurden von der menschlichen Ernährungskette ausgeschlossen
  • alle BSE-verdächtigen Materialien müssen seit Ende 1998 unter folgenden Bedingungen unschädlich gemacht werden: Temperatur: 140° C; Druck: 3.6 bar; Dauer: 30 Minuten (Früher: Temperatur: 133° C; Druck: 3 bar; Dauer: 20 Minuten)
  • Gehirnmaterial von Schlachtvieh wird stichprobenartig mittels des von der Firma Prionics AG erfundenen Tests (Prionics-Check) auf BSE untersucht
Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 15. Tabellarische Übersicht der Risikoorgane. Die gelb-markierten Organe dürfen nicht als Lebensmittel verwendet werden.



Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 16. Zur BSE Situation in der Schweiz.



BAB: Born after Ban: Nach dem Feed-ban geboren

BBB: Born before Ban: Vor dem Feed-ban geboren

Diese Statistik zeigt zum einen die BSE-Fälle in der Schweiz von Kühen, die vor dem Feed-ban geboren worden sind und dann später, wegen der langen Inkubationszeit, erkrankten (blau). Zum anderen zeigt sie die Fälle von BSE, die bei Kühen aufgetreten sind, die nach dem Fütterungsverbot von Tiermehl geboren worden sind (rot). Die BAB-Fälle sind unter anderem ein Hinweis, dass eine vertikale Übertragung stattfindet. Eine allzu starke Zunahme der BAB-Fälle wäre aber sehr beunruhigend, da diese nicht immer vollständig geklärt werden können. Könnte es sein, dass eine zweite Welle auf uns zukommt?







Gibt es einen Zusammenhang zwischen vCJD und BSE?


Die Geschichte von CJD

Geprägt wurde der Begriff von Creutzfeldt und Jakob, welche in den Jahren 1920 und 1921 die ersten Fälle einer seltsamen Erkrankung des Zentralnervensystems beschrieben. Die CJD tritt selten, weltweit verbreitet und gewöhnlich sporadisch auf. Es kommt etwa ein Fall auf eine Million Menschen pro Jahr. Manchmal kommt sie familiär gehäuft vor und weist ein autosomal dominantes Vererbungsmuster auf. Daneben sind auch Fälle bekannt bei denen CJD akzidentell erworben wurde. Durch den Gebrauch von neurochirurgischen Instrumenten, durch Transplantationen von Hirn- und Hornhaut, durch Wachstumshormone, welche aus Hypophysen gewonnen wurden sowie durch silberne Elektroden für Elektroenzephalogramme und anderen nach heutigem Wissensstand ungenügend sterilisierten Instrumenten kam es zu Übertragungen. Blutspenden konnten bis heute nicht als Infektionsquelle bestätigt werden. Es muss höchstwahrscheinlich eine genetische Prädisposition vorhanden sein, damit die erworbene oder sporadische CJD ausbricht. Sie tritt meist im Alter von 50 bis 75 Jahren auf und äussert sich eher in Bewegungsstörungen.


Die Geschichte von BSE

Im April 1985 tauchte BSE in Grossbritannien zum ersten Mal auf. Im November 1986 wurde sie dann beschrieben und als neue Krankheit anerkannt. Nach dem ersten Auftauchen nahm die BSE epidemische Ausmasse an. Bereits 1987 wurden mehr als 400 Fälle registriert. Das Ganze erreichte seinen Höhepunkt 1992 mit circa 37'000 Fällen. Dank den ergriffenen Massnahmen wurde die Anzahl innerhalb von 5 Jahren um ca. 90% verringert. 1997 zählte man nur noch 4'300 Fälle, Tendenz sinkend (1998 ca. 1'680 Fälle; 297 Stand Januar 1999). Auch in anderen europäischen Ländern traten BSE- Fälle auf, jedoch nicht in diesem Ausmass.

Der erste Fall in der Schweiz wurde 1990 diagnostiziert. Auch hier stieg die Anzahl schnell an, ging dann aber nach 1995 ebenfalls zurück. 1998 hatte die Schweiz 14 Fälle (1999 bisher 8 Fälle (Stand: April)).

Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 17a. Anzahl BSE Fälle in Grossbritannien.



Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


Abb. 17b. Anzahl BSE Fälle in der Schweiz.




Theorien zur Entstehung von BSE

Sofort nach dem Auftauchen von BSE in Grossbritannien suchte man nach der Herkunft dieser Krankheit. In allen Betrieben, in denen BSE aufgetaucht war, sammelte man sämtliche Daten, welche später mittels Computersimulation ausgewertet wurden. Man fand als einzige Gemeinsamkeit heraus, dass alle Betriebe den Tieren Fleisch- und Knochenmehl als Kraftfutterzusatz verfüttert hatten.

  1. Man vermutete, dass sich BSE aus Scrapie entwickelt hatte, dessen Erreger das Tiermehl kontaminierte. Für diese Hypothese spricht, dass die Schafpopulation in Grossbritannien stark angestiegen war und somit zwangsläufig auch die Scrapieabfälle, welche vermehrt der Verwertung zu Tiermehl zugeführt wurden. Gleichzeitig wurde die Aufarbeitungsmethode geändert, was eine ungenügende Inaktivierung des Erregers zur Folge hatte. Zudem gelang es, Rinder experimentell mit Scrapie zu infizieren.
    Folgende Argumente sprechen dagegen: BSE gehört nicht zum gleichen Prionenstamm der TSE wie Scrapie. Kühe, die mit Scrapie angesteckt wurden, litten an einer anderen Krankheit. BSE hat ein anderes Wirtsspektrum als Scrapie. Die Inkubationszeit bleibt konstant (keine Anpassung) und die Gebiete in denen BSE ausbrach waren keine Schafweidegebiete.
    Auf jeden Fall frassen die Rinder mit der Zeit auch ihre mit BSE infizierten Artgenossen, was letztendlich zum Ausbruch der Epidemie in diesem Ausmass führte.

  2. Eine andere Hypothese besagt, dass es BSE als sporadisch auftretende Krankheit bereits gab. Die Verfütterung von kontaminiertem Tiermehl führte zu epidemischen Ausmassen der Krankheit. Dafür sprechen folgende Argumente: Es konnte keine verkürzte Inkubationszeit festgestellt werden, d.h. die Inkubationszeit blieb konstant. Falls schon vor 1981 solche Fälle aufgetreten wären, würde dies diese Hypothese bekräftigen. Gebiete in denen BSE ausbrach, waren keine Schafweidegebiete. Die Arbeiten von Collinge (1996) und Bruce (1991)zeigen, dass BSE nicht derselbe Prionenstamm wie Scrapie ist. BSE hat ein anderes Wirtsspektrum als Scrapie. Die Änderungen im Aufbereitungsverfahren von Fleisch- und Knochenmehl konnten die Existenz von BSE vor 1981 gar nicht beeinflussen. Aber auch bei dieser Hypothese gibt es Einwände: Ein BSE-Fall würde nach 3-6 Jahren mehrere Folgefälle verursachen, welche wiederum nach 3-6 Jahren Folgefälle verursachen würden. Die epidemiologische Kurve müsste demnach ganz anders aussehen als sie es tut. Warum hatten andere Länder, die ähnliche Agrarwirtschaftsmethoden pflegten keinen ähnlich grossen Ausbruch?

  3. Organo-Phosphate (OP), ein Basisstoff für Nervengas, verursache BSE, meinen andere. Zu Beginn der 80er Jahre wurden Insektenvertilgungsmittel mit Organo-Phosphaten eingesetzt. Bei Rindern von Bio-Farmern, welche keine Organo-Phosphate benutzten, gibt es viel weniger BSE-Fälle. Eine Vergiftung mit OP zeigt ähnliche Symptome wie BSE. Mit dieser These könnten auch die BSE-Fälle in der Schweiz erklärt werden. Laut Insider-Informationen verkauften gewisse Unternehmer den Bauern Viehfutter aus mit Phosphorsäure veresterter Stärke. Aber: Epidemiologisch passen BSE und der Gebrauch von OP nicht zusammen. OP wurden auch während dem Höhepunkt der Krise und danach benutzt. Es erkranken auch Kühe, die niemals mit OP in Kontakt gekommen sind. In Gebieten in denen mehr OP benutzt wurde, erkrankten nicht unbedingt mehr Tiere als in Gebieten in denen wenig benutzt wurde.

Es gibt noch eine Handvoll anderer Hypothesen zur Entstehung von BSE, doch die sind meiner Meinung nach nicht sehr wahrscheinlich:

  1. BSE ist aus CJD entstanden
  2. Bakterielle Toxine verursachten BSE
  3. BSE ist eine Autoimmunkrankheit
  4. Verbreitung von Prionen mit Moskitos
  5. Lysosomale Speicherungs Krankheit
  6. Produkte aus Abdeckereien
  7. Verschiedene Futterkomponenten

  8. Übertragung

    Man nimmt an, dass die Übertragung dadurch geschieht, dass der BSE-Erreger über das Futter aufgenommen wird. Offen bleibt die Frage, ob das Rind Endwirt ist, d.h. den Erreger nicht ausscheidet, oder ob eine horizontale und/ oder vertikale Übertragung vorkommen könnte. Gemäss bisheriger Beobachtungen könnte eine vertikale Übertragung tatsächlich vorkommen (http://www.admin.ch/bvet/0_navigation-d/0_index.html). Die Wahrscheinlichkeit nimmt gegen Ende der Trächtigkeit sogar zu. Hinweise dafür liefern neben wissenschaftlichen Studien auch die BAB-Fälle. Hinweise auf eine horizontale Übertragung gibt es nicht. Wäre dies aber der Fall, hätten wir viel mehr BSE-Fälle und die Aussicht diese Krankheit völlig zu bekämpfen würde drastisch verschlechtert.


    Das Auftreten von vCJD

    Seit Ende 1995 bis heute sind mehrere Fälle einer neuartigen TSE bei Jugendlichen aufgetaucht, vorwiegend in Grossbritannien. Da das neuropathologische Bild nicht demjenigen der CJD entspricht und es vorwiegend bei jungen Leuten angetroffen wird, muss man davon ausgehen, dass es sich hier um eine neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit handelt. Auch das klinische Bild weist auf eine neue Variante der CJD hin. Während bei der klassischen CJD Bewegungsstörungen das Hauptmerkmal sind, sind es bei der vCJD eher Verhaltensstörungen.

    Inzwischen häufen sich die Hinweise, dass diese junge Menschen (31. Dez. 98: 35 Fälle) einer direkten Infektion mit dem BSE-Erreger erlagen. Zum einen gibt es, wie schon erwähnt, klare Unterschiede zwischen der CJD und der vCJD. Zum anderen gibt es Hinweise auf einen direkten Zusammenhang zwischen BSE und vCJD.

    Tabelle 4. Unterschiede zwischen klassischer CJD und vCJD (Aguzzi & Weissmann, 1996; Will et al., 1996)

     

    Klassische CJD

    vCJD

    Typisches Alter

    55-70

    19-39

    Krankheitszeichen

    Bewegungsstörungen, Vergesslichkeit, Muskelzittern

    Verhaltensstörungen, Gangataxien, Sensibilitätsstörungen

    Verlauf

    sich rasch verschlimmernd, Tod nach wenigen Monaten

    langsamer fortschreitend,
    Tod innerhalb von 6-12 Monaten

    EEG

    typisch

    atypisch

    Codon 129

    mehrheitlich homozygot

    100% Met/Met

    PrP Ablagerungen

    in den Synapsen, Plaquebildung selten

    in der grauen Substanz,
    floride Plaque*

    PrP Banden Muster

    Typ 1 und 2**

    Typ 4***

    *= Ähnlichkeit mit Kuru

    **= Typ 3 gehört zu iatrogen übertragener CJD (bei ärztlichen Handlungen übertragen)

    ***= Ähnlichkeit mit BSE

    EEG: Elektroenzephalogramm: Diagramm, auf welchem die Hirnstrommessungen eingetragen werden

    Ein ganz wichtiger Hinweis kommt aus der Biochemie der Prionproteine. Im Kapitel über die normale Funktion des Prionproteins, habe ich beschrieben, wie das normale Protein auf dem Weg zur Zelloberfläche reift und mit Zuckern bestückt wird. Da dies ein fortlaufender Prozess ist, kann man sich vorstellen, dass der Moment der krankhaften Veränderung der dreidimensionalen Struktur wichtig ist für die Menge und Art der Verzuckerung, die auf dem Prion gefunden wird. Tatsächlich fanden Collinge und Mitarbeiter (Collinge et al., 1996) typische Unterschiede der Verzuckerung verschiedener Prionenarten was in der folgenden Abbildung dargestellt ist.

    Abb. 18. Streudiagramm der proportionalen Verteilung der Zuckerarten auf Protease-resistentem PrP.
    (nach Collinge et al., 1996)s.

    Zur Vergrösserung: Bilder anklicken !!


    Vergleich von sporadischer übertragener und der neuen Variante von CJD. Typ 1 (rot), Typ 2 (grün), Typ 3 (blau), Typ 4 vCJD (gelb).

    Der Unterschied zwischen CJD und vCJD ist nicht zu übersehen.


    Vergleich von den klassischen CJD-Typen mit natürlich vorkommender und experimentell übertragener BSE. CJD Typen 1-3 (rot), auf Mäuse übertragen (grün), vCJD (gelb), BSE in Tieren (blau).

    Es ist gut zu erkennen wie BSE und vCJD auf der einen Seite sind und die verschiedenen klassischen Formen von CJD auf der anderen.)

    Eine einleuchtende Erklärung zu diesen Beobachtungen lieferten Weissmann und Aguzzi im gleichen Band der Zeitschrift Nature. Sie entwarfen folgendes Bild zur Erklärung.

    Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


    Abb. 19. Unterschiedliche Glykosylierung der BSE-, CJD- und vCJD-Erreger. (Aus Aguzzi & Weissmann, 1996). Western Blot-Test zur Erkennung der Verteilung der Zuckerarten. Verschiedene Prionenstämme zeigen charakteristische Muster der Zuckerarten und Zuckerformen auf der Oberfläche. Die Hauptformationen des Zuckerarten sind blau gekennzeichnet. Auffallend ist die Ähnlichkeit zwischen vCJD und den verschiedenen BSE-Mustern.



    Wegen der Speziesbarriere lassen sich infektiöse Prionen meistens nur schwer von einer Spezies auf eine andere übertragen. Auch bei Mäusen und Hamstern ist dies ein Problem, obwohl diese ziemlich eng verwandt sind. Mäuse lassen sich nur schwer mit Hamsterprionen infizieren und umgekehrt. Gibt man nun aber der Maus das Hamster PrP-Gen und knockt das entsprechende Mäuse Gen aus, so lässt sie sich leicht mit Hamsterprionen anstecken und nur schwer mit Mäuseprionen. Dies funktioniert auch umgekehrt. Der Schlüssel zur Speziesbarriere liegt also in der Aminosäuresequenz des PrPc-Proteins, sagte Prof. Aguzzi kürzlich anlässlich eines Vortrages. Nun stellt sich die Frage, wie gut Rinderprionen das menschliche PrPc umwandeln können. In London wurde zu diesem Zweck ein Experiment gemacht. Genetisch veränderte Mäuse, welche das PrP-codierende Gen des Menschen verpflanzt bekamen, versuchte man mit BSE anzustecken. Doch zur Überraschung vieler, liessen sich die Mäuse nicht anstecken. Dieses Ergebnis wurde dann von den verschiedensten Leuten als Garantie genommen, dass BSE keine Gefahr für den Menschen darstelle.

    Doch man weiss, dass für die Vermehrung des Prions mehr Faktoren zuständig sind als nur die Aminosäuresequenz von PrPc. Man vermutet, dass noch mindestens ein weiterer genetischer Faktor daran beteiligt ist. Dieses Gen soll ein Bindungspartner von PrPc sein und für ein Protein codieren. Es trägt den mysteriösen Namen "Protein X" (Aguzzi unter: http://www.admin.ch/bvet/tiergesundheit/d/ausbild_beratung/tierseuchen/bse/wissenschaft/aguzzi.html). Bisher ist nichts über dieses Protein X bekannt und einige stellen sogar dessen Vorhandensein in Frage. Doch wenn es existiert und es sich von demjenigen der Maus unterscheidet, ist es durchaus möglich, dass das PrPc von BSE nicht umgewandelt werden kann. Deshalb ist auch dieser Versuch nicht aussagekräftig genug um Entwarnung zu geben.

    Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


    Abb. 20. Ein unvollständiges Experiment. (Collinge et al., 1995). Collinge wollte untersuchen, ob BSE auf den Menschen übertragbar sei. Zu diesem Zweck züchtete er Mäuse mit oder ohne menschliches PrPc Gen, bzw. mit oder ohne das natürliche PrPc Gen der Maus. Diese Mäuse infizierte er dann entweder mit BSE (blau) oder dem CJD Erreger (rot). Der Genotyp der Mäuse ist im Bild jeweils links vom Experiment angegeben. HuPrp+/0: heisst diese Maus ist heterozygot für das menschliche PrPc Gen. MausPrp+/+ auf der gleichen Linie zeigt an, dass sie gleichzeitig homozygot für das Mäuse PrPc Gen ist. Ähnlich sind die weiteren Linien zu interpretieren:

    HuPrp+/+:MausPrp+/+: homozygot für beide, menschliches und Mäuse PrPc Gen.

    HuPrp+/+:MausPrp0/0: homozygot für menschliches PrPc Gen, kein Mäuse PrPc Gen.

    HuPrP0/0:MausPrP+/+: normale Maus homozygot für Mäuse PrPc Gen, keine menschliches PrPc Gen.

    Auf der x-Achse ist die Beobachtungszeit der Mäuse nach der Infektion angegeben. Eine rote Maus wird krank und stirbt (Todeskreuz) in der angegebenen Zeitperiode, eine graue Maus bleibt gesund und überlebt.

    Beim ersten Versuch wurden Mäuse, welche heterozygot für das menschliche und homozygot für das Maus PrPc Gen waren mit BSE als auch mit CJD angesteckt.

    Der zweite Versuch wurde mit Mäusen gemacht, die noch mehr menschliches PrPc produzierten.

    Beim dritten Versuch der zugleich der Hauptversuch war, wurde BSE an Mäusen, die nur das menschliche PrPc produzierten, ausprobiert. Die Mäuse zeigten nach 268 Tagen noch keinerlei Symptome, was bei der Publikation des noch nicht beendigten Versuches, als Entwarnung gewertet wurde.

    Der vierte Versuch zeigt, dass Mäuse anscheinend nicht für CJD empfänglich sind.



    Bei anderen Versuchen z.B. mit BSE infizierten Affen, wurden dieselben Veränderungen im Gehirn entdeckt, wie bei den vCJD Patienten. Blumenförmige PrPsc-Ablagerungen, die von vakuolisiertem Hirngewebe umgeben waren, sogenannte " floride Plaques". Doch auch hier stellt sich die Frage, ob dieser Versuch aussagekräftig genug ist. Kann man den Affen-Versuch 1:1 auf den Menschen übertragen? Ausserdem fehlen die Resultate eines Versuchs, bei dem Affen mit klassischer CJD angesteckt werden und danach das Hirn auf die Art der "Verlöcherung" untersucht wird. Würden dabei keine floride Plaques auftreten, so würde sich der Verdacht, dass BSE auf den Menschen übertragbar ist, um ein weiteres Indiz erhärten.

    All diese jungen Menschen, die an der neuen Variante von CJD erkrankten, hatten eines gemeinsam. Sie waren homozygot für Methionin an der Stelle 129 ihres Prionprotein-Gens. Bisher erkrankten keine Leute mit Valin oder mit einer Methionin-Valin Kombination an der Stelle 129, was aber nicht heisst, dass sie gegen BSE resistent sind. Durch die Codierung von Methionin am Codon 129 ist man höchstwahrscheinlich einfach anfälliger für BSE, man spricht von einer genetischen Disposition. Eine Studie in Grossbritannien fand heraus, dass 83% aller CJD-Fälle Methionin homozygot waren. Man ist also nicht nur anfälliger für BSE, sondern auch für andere TSE.

    Zur Vergrösserung: Bild anklicken !!


    Abb. 21. Das menschliche Prionprotein-Gen mit Variationen.

    Das menschliche Prionprotein-Gen und darauf eingezeichnet die Codons, welche mit dem Auftreten von Prionenkrankheiten assoziiert werden. Oben stehen diejenigen, die mit den sporadischen und unten diejenigen, die mit den vererbten übereinstimmens.



    Die Erklärung, die vCJD-Patienten wären genetisch disponiert, ist problematisch. Über 40% der Bevölkerung haben eine Met-Met Kombination. Was also war das Spezielle an ihnen? Oder könnte es sein, dass in den nächsten Jahren fast die Hälfte der Bevölkerung von Grossbritannien an vCJD erkrankt? Könnte es wirklich sein, dass wir in den nächsten Jahren von einer so gewaltigen vCJD-Epidemie heimgesucht werden? Die Experten können diese Möglichkeit mittlerweile nicht mehr ausschliessen. Zudem ist es nicht gesichert, dass der Rest der Bevölkerung mit den Val-Val und den Met-Val Kombinationen geschützt ist. Bis heute ebenfalls ungeklärt ist die Tatsache, dass nur junge Leute von dieser Krankheit heimgesucht werden. Unterdessen wurde bekannt, dass in den 80er Jahren in einem britischen Hamburger bis zu zwei Gramm Gehirn enthalten sein konnten. Man könnte davon ableiten, dass Jugendliche, die gerne "Fast food" zu sich nehmen, sich einem höheren Risiko aussetzten. Allerdings muss man dem entgegenhalten, dass auch alte Leute gerne einen Hamburger essen. Die Vermutung, Jugendliche erkranken wegen einer häufigeren Fast food Ernährung eher an vCJD, ist deshalb zumindest problematisch. Einleuchtender tönt die Vermutung, dass ältere Menschen durch früheren Kontakt mit anderen TSE-Erregern, wie z.B. demjenigen von Scrapie, der für den Menschen harmlos ist, eine Art "Immunität" entwickelt haben.


    Die Tragödie von Barbara Frederick Poulter

    Gestorben am 14. Dezember 1997

    Dies ist eine wahre Geschichte (http://hometown.aol.com/stacy91434/cjd/terry.htm). Sie handelt von einer Frau, die vermutlich an vCJD erkrankte. Sie wurde von einem schrecklichen Schicksal ereilt. Doch das wirklich Erschreckende ist, dass niemand weiss, wieviele da draussen tatsächlich mit dem Erreger infiziert sind. Vielleicht sind es nur ein paar wenige. Es könnten aber auch hunderte oder gar tausende sein, auf welche ein solches Schicksal wartet. Es könnte sogar sein, dass sie als Leser den Erreger bereits in sich tragen.

    Dies ist die Geschichte, erzählt von Therry Madson, der Tochter des Opfers.

    Gegen Ende Oktober telefonierte mir meine Mutter: "Ich bin blind!" Wenige Tage zuvor erst hatte sie bemerkt, dass etwas mit ihren Augen nicht mehr stimmte. Es sei gewesen, wie wenn sie immer durch ein Tunnel schauen müsste, wie wenn sie nichts mehr von der Seite her anschauen könnte und ausserdem behinderten braune Punkte ihre Sicht.

    Wegen eines dummen Streites mit meiner Mutter erfuhr ich erst jetzt, da sie schon blind war, von ihren Problemen. Natürlich besuchte ich sie von da an jeden Tag. Auf meinem Weg zu ihr hatte ich genug Zeit über alles nachzudenken, denn ich musste die Galveston/Bolivar Fähre nehmen um zu ihr zu gelangen. Ein Weg beanspruchte etwa 30 Minuten.

    Es dauerte nur etwa zwei Wochen vom Moment an, wo sie ihre Sehstörungen bemerkte, bis sie völlig blind war. Es scheint, dass man mit seinen Massnahmen diese tückische Krankheit gar nicht einholen kann, so schnell verläuft sie. Bald setzten Koordinationsstörungen ein und meine Mutter verlor immer häufiger das Gleichgewicht. Es war schon bald so schlimm, dass wir einen Rollstuhl für sie brauchten. Sie begann zu zittern, die Füsse einwärts zu drehen und schon bald konnte sie nicht mehr zusammenhängend sprechen. Ungefähr ab der sechsten Woche ihrer Krankheit konnte man kein Wort mehr, von dem was sie sagte, verstehen. Um diese Zeit mussten wir sie auch auf dem Rollstuhl festbinden, weil sie sonst herausfiel. Das Zittern verwandelte sich in schwere Krämpfe, sodass es manchmal drei Personen brauchte um sie festzuhalten. Das werde ich niemals vergessen. Nach ungefähr acht Wochen fiel meine Mutter ins Koma. Sie starb in der zehnten Woche ihrer Krankheit. Ich hatte die Nacht bei ihr verbracht. Da sie Probleme hatte, rief ich die Krankenschwester. Diese schickte mich nach hause, es würde schon alles gut werden. Auf der Fähre zurück nach Galveston erhielt ich den Telefonanruf, sie sei gestorben. Ich war so hilflos, meine Mutter war tot, und ich fuhr mit der Fähre in die falsche Richtung.







    Vorschläge für die Zukunft

    Was wird uns die Zukunft bringen? Niemand kann das mit Sicherheit sagen. Die sinkende Anzahl der BSE-Fälle zeigt, dass das Maximum überschritten ist. Man nimmt sogar an, dass die Epidemie gegen das Jahr 2001 erlischt. Doch die Forschung auf diesem Gebiet wird weitergehen. Mit der Erfindung eines Tests am lebenden Tier, der alle infizierten Tiere erkennt, könnte der Rückgang der Epidemie, durch das frühzeitige Ausmerzen dieser Tiere, noch beschleunigt werden. Das Problem ist, da es sich bei BSE vermutlich um eine Erkrankung der Proteine handelt, dass die Nachweisverfahren für fehlerhafte Proteine nicht so weit fortgeschritten sind wie Tests für Nukleinsäuren. Deshalb wird die Entwicklung eines solchen Tests wohl noch etwas Zeit brauchen.

    Eine andere Möglichkeit ist den Erreger an der Reise ins Hirn zu hindern, einen Impfstoff zu entwickeln oder einen Weg zu finden das Immunsystem so anzuregen, dass es die falsch gefalteten Proteine angreift, obwohl die sich ja als körpereigen ausgeben. Vielleicht müsst ihr einfach Geduld haben und die Evolution wird euch Menschen eine neue Generation von Abwehrkräften bescheren, die auch Prionen zur Strecke bringen. Die Fortschritte in der Mikro- und Nanotechnik machen es vielleicht möglich, dass die natürlichen Abwehrkräfte des Menschen eines Tages von künstlichen unterstützt werden. Doch dies ist ferne Zukunftsmusik

    Im Moment muss man sich einfach damit abfinden, dass beim Verzehr von BSE-verseuchtem Fleisch ein Restrisiko vorhanden bleibt. Es muss jeder selber wissen, was für ihn das Beste ist. Man darf die Gefahr, jetzt auch im Hinblick auf neue Krankheiten, nicht unterschätzen. Es ist besser Vorsicht walten zu lassen, als später von der Nachsicht zu kosten.

    Es ist unsere Pflicht Tragödien, wie diejenige von Barbara Frederick Poulter zu verhindern. Doch dies ist nur möglich, wenn wir die Vorgänge und den Erreger selbst verstehen. Diese Erkenntnisse erlangen wir zur Zeit vor allem durch den Einsatz von genetisch modifizierten Mäusen. Ich hoffe es ist jedem klar, dass wir diese Möglichkeit durch die Annahme der Genschutz-Initiative verloren hätten.







    Literaturverzeichnis

    Aguzzi & Weissmann, 1996. Spongiform encephalopathies: a suspicious signature. Nature 383, 666-667.

    Blättler et al., 1997. PrP-expressing tissue required for transfer of scrapie infectivity from spleen to brain. Nature, 389, 69-73.

    Brandner et al., 1996. Normal host prion protein necessary for scrapie-induced neurotoxicity. Nature, 379, 339-343.

    Braun U. (Hrsg.), 1998. BSE und andere spongiforme Enzephalopathien. Parey Buchverlag Berlin.

    Bruce et al., 1991. The disease characteristics of different strains of scrapie in Sinc congenic mouse lines: implications for the nature of the agent and host control of pathogenesis. J. Gen. Virol. 72, 595-603.

    Büeler et al., 1992. Normal development and behaviour of mice lacking the neuronal cell-surface PrP protein. Nature 356, 577-582.

    Büeler, et al., 1993. Mice devoid of PrP are resistant to Scrapie. Cell, 73, 1339-1347.

    Caughey et al., 1989. Prion protein synthesis in Scrapie-infected and uninfected neuroblastoma cells. JV, 63, 175-181.

    Collinge et al., 1994. Prion Protein is necessary for normal synaptic function. Nature, 370, 295-297.

    Collinge et al., 1995. Unaltered susceptibility to BSE in transgenic mice expressing human prion protein. Nature, 378, 779-783.

    Collinge et al., 1996. Molecular analyses of prion strain variation and the aethiology of "new variant" CJD. Nature, 383, 685-690.

    Gerstmann et al., 1936. Über eine eigenartige hereditär-familiäre Erkrankung des Zentralnervensystems. Zugleich ein Beitrag zur Frage des vorzeitigen lokalen Alterns. Z. Neurol. 154, 736-762.

    Kirkwood & Cunningham, 1994. Epidemiological observations on spongiform encephalopathies in captive wild animals in the British Isles. Veterinary Record. 135. 296-303.

    Klein et al., 1997. A crucial role for B cells in neuroinvasive scrapie. Nature, 390, 687-690.

    Klein et al., 1998. PrP expression in B lymphocytes is not required for prion neuroinvasion. Nature Medicine, 4 (12) 1429-1433.

    Lledo et al., 1996. Mice deficient for prion protein exhibit normal neuronal excitability and synaptic transmission in the hypocampus. PNAS, 93, 2403-2407.

    Marinovic & Senn, 1991. Die Bovine spongiforme Enzephalopathie: Eine Übersicht. Schweiz. Arch. Tierheilk. 133, 349-362.

    Oesch et al., 1985. A cellular gene encodes scrapie PrP 27-30 protein. Cell 40, 735-746.

    Pan et al., 1993. Conversion of a -helices into b -sheets features in the formation of the scrapie prion proteins. PNAS 90, 10962-10966.

    Prusiner, 1982. Novel proteinaceous infectious particles cause scrapie. Science. 216(4542):136-44.

    Prusiner, 1989. Scrapie Prions, Ann. Rev. Microbiol. 43, 345-374.

    Riek et al., 1996. NMR structure of the mouse prion protein domain PrP (121-231). Nature 382, 180-182.

    Tobler et al., 1996. Altered circadian activity rhythms and sleep in mice devoid of prion protein. Nature, 380, 639-642.

    Weissmann, 1994. Molecular Biology of Prion Diseases. Trends in Cell Biology, 10-14.

    Will et al., 1996. A new variant of Creutzfeldt-Jakob disease in the UK. Lancet 347, 921-925.

    Williams & Young, 1992. Spongiform encephalopathy in Cervidae. In: Transmissible Spongiform Encephalopathies of Animals; Rev sci tech Off int Epiz 11 (2); 551-567.







    Internet Links

    http://hometown.aol.com/stacy91434/cjd/terry.htm

    http://inet.uni-c.dk/~iaotb/menubar3.htm

    http://www.admin.ch/bvet/0_navigation-d/0_index.html

    http://www.admin.ch/bvet/tiergesundheit/d/ausbild_beratung/tierseuchen/bse/wissenschaft/aguzzi.htm

    http://www.ceid.ox.ac.uk/bse/

    http://www.easynet.co.uk/ifst/hottop5.htm

    http://www.europa.eu.int/comm/dq24/health/bse/bse09_en.html

    http://www.helsinki.fi/~pwilen/cow/muu.html

    http://www.maff.gov.uk/animalh/bse/bse-science/level-4-othertses.html#exotic

    http://www.maff.gov.uk/animalh/bse/bse-science/level-4-othertses.html#fse:







    Dank

    Ich danke allen Personen, die so freundlich waren mir beim Erstellen dieser Semesterarbeit behilflich zu sein.

    Namentlich: Prof. Dr. Aguzzi, Prof. Dr. Weissmann, Prof. Dr. Glockshuber, Dr. Klein für ermunternde Worte und wertvolle Informationen.

    Ich danke meinem Betreuer Dr. A. Brunnert dafür, dass er mir soviel Handlungsfreiheit und Spielraum gewährte.

    Speziell danken möchte ich dem Direktor des Virologischen Instituts, der so freundlich war mir einen Teil der Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Doch der grösste Dank geht an meinen Vater, der mir so viel geholfen und zum Gelingen dieser Semesterarbeit beigetragen hat.





    Click Seiten 1 bis 4 um den ersten Teil der druckbaren Version meiner Semesterarbeit herunterzuladen.
    Click Seiten 5 bis 36 um den zweiten Teil zu bekommen.
    (Du brauchst einen Acrobat Reader (Version 3.0 oder höher) zu diesem Zweck).



    Webtracker counts the times this page has been hit since 28 October 1997
    Webmaster